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Kurs 66° north - Klettern auf den Lofoten und in Bohuslän

ACHTUNG!

Lesezeit >10 Min. und mehr Info als Unterhaltung.

Nach über 30 Jahren in den Alpen war schon sehr lange mein Wunsch einmal über den Polarkreis auf die Lofoten zu reisen. Diese unendlichen weiten Wälder zu bestaunen, Wildnis zu erleben und die Sonne zu sehen, wie sie im Midsommer nicht untergeht. 

Doch die weite Anreise, das unsichere Wetter und noch so einiges mehr ließen mich immer wieder aufs Neue zögern. Dort Wetterglück zu haben schien mir wie ein Jackpotgewinn im Lotto.

Die Entscheidung fiel bereits im letzten Herbst, nachdem unsere Führerarbeiten zu Band IV abgeschlossen waren. Jetzt oder nie! Und nachdem ich so unendlich viele Alpintouren klettern durfte, kehrte zumindest etwas mehr innere Ruhe und Gelassenheit ein, dachte ich jedenfalls. Bis ich zum ersten Mal tagelang im norwegischen Verkehr nur noch im Schneckentempo vorwärts kam. Doch dazu später mehr...

Unsere Reiseroute

Für uns führte die direkte Route über Rostock und weiter mit der Fähre nach Trelleborg (Schweden). Von dort noch schnell zum Übernachten an den Melbystrand, angeblich einer der schönsten in ganz Schweden. (Anmerkung: Die Skandinavier lieben ihre Natur und somit ist Vieles immer das Beste und Schönste.)

Unsere erste Zwischenstation sollte - wie könnte es anders sein - das hochgelobte Granitklettergebiet Bohuslän sein. Und in der Tat gibt es dort auch ganz vereinzelt Weltklassesplitter und tolle Wandklettereien. Allerdings komplett zum Selbstabsichern. Also nicht unbedingt jedermanns Geschmack. Für mich jedenfalls ein guter Einstand. (Mehr dazu in der Rubrik Klettern in Bohuslän, im Anhang.)

Derweil zog auf den Lofoten der Sommer ein und 10 Tage gutes Kletterwetter hatten wir bereits verpasst. Die Panik in mir war groß, dass es das schon gewesen ist für den Sommer. Denn laut Wetterstatistik aus den letzten 10 Jahren gab es meist nur eine kurze Periode von 10-14 Tagen mit relativ niederschlagarmen Wetter. Also nichts wie weiter und so schnell wie möglich dorthin. Die schnellste Route führt dabei durch Schweden, auch was den Verkehr anbelangt (Details dazu im Kapitel Verkehr).

Natürlich geht das alles kaum in einem Rutsch und so machten wir einen schönen Zwischenstopp im Hamra-Nationalpark und fuhren über den "Vildmarksvägen" und das Stekenjokk, einen kleinen aber sehr feinen Umweg nach Norwegen und weiter über Mo i Rana nach Skutvik, wo uns eine kostenlose Fähre auf die Lofoten brachte. Die Fähre ist nur zu Ferienzeiten in Betrieb und fährt gegen 11 Uhr, um 18 Uhr und Mitternacht. Entweder ist man 2-3 Std vor Abfahrt dort oder man reserviert auf der komplizierten norwegischen Seite. Es würde sich auch anbieten, auf der E6 weiter zur Stetind-Region zu fahren. (Die nötige Fähre zwischen Bognes und Skarberget verkehrt stündlich und kostet, Stand 2023 130 NOK.) Von dort erreicht man über Narvik und ohne weitere Fähren die Lofoten von Norden. 

 

Lofoten - Paradise lost

Angekommen am Abend, nach einem weiteren wolkenlosen Tag, wollten wir gleich noch zum Auslüften. Doch das übernahm schon der Wind. Also erstmal Schlafplatz suchen und einfach nur ankommen. Das dies nicht ganz so leicht werden würde, wussten wir schon von diversen Blogeinträgen. Doch das alle großen Parkplätze inzwischen mit einem Verbot belegt wurden noch nicht. Nur parken, löhnen, kurz gucken und weiter, so anscheinend die Devise der lokalen Behörden. Es sind halt einfach zu viele Touristen überall auf der Welt unterwegs. Und was ist einfacher als mit völlig überzogenen Preisen und Verboten die Anzahl zu begrenzen? Doch ganz so einfach scheint es nicht, denn die Park- und Schlafplätze verlagern sich nur an andere Orte. In unserem Fall eben auf dem Weg zum "ehemaligen Paradies", wo es bis dato einige kleine Parkbuchten für eine ruhige Übernachtung gibt. 

Nach einer kurzen Einklettertour zur Gewöhnung ans Gerät, sprich die komplette eigenverantwortliche Absicherung mit mobilen Sicherungsgeräten, versprach der Wetterfrosch immer noch 10 Tage bestes Bergwetter. Nachdem man ja nie weis, ob dies auch so eintrifft, gingen wir am frühen Morgen schnellen Schrittes zum Ultraklassiker der "Bare blabaer". Jacka! Wir waren tatsächlich die ersten und konnten zum nahezu letzten Mal in diesem Urlaub staufrei eine Route zu Ende bringen. Kurz nach uns kamen die ersten Mountainguides mit ihren Gästen und bis 15 Uhr nach und nach weitere Seilschaften. Nachdem man ja quasi rund um die Uhr klettern kann, ist das soweit auch kein Problem. Doch glücklich werden wohl nur Menschen mit enormer Geduld oder chillige young guns, die ähnlich ticken und dieses Leben gewohnt sind. Übrigens ist Henningsvaer anscheinend eine neue "Hip-Destination" für junge Skandinavier und auch Mitteleuropäer. Party ist geil und studieren kann man ja später auch noch. In den Touren spielen die jungen Seilschaften dann oft Klettermikado und bewegen sich kaum oder benötigen sagenhafte zwei Stunden für 30-50 Klettermeter. Für mich ist das kaum zu ertragen. In allen Modegebieten der Welt ist zügiges Klettern, wie wir es jahrelang in den Alpen gewohnt waren kaum noch möglich. Das gleiche Phänomen hatten wir ja schon im Winter in Jordanien erlebt (nachzulesen hier).

Einerseits ist das in sofern nachvollziehbar, weil man sich ja zunächst auf die Schwierigkeitsangaben im Führer verlässt. Das diese nahezu fast immer untertrieben sind, sollte man jedoch spätestens nach 3-4 Routen erkennen können und die Tourenauswahl anpassen. Wäre da nur nicht: "Aber ich will doch auch die großen Klassiker...". Schon ein klein wenig Training würde manchmal Wunder wirken. Mit Reserven im Tank geht halt vieles leichter und schnellerer von der Hand. Und mit etwas Erfahrung lernt man auch seine Friendgrößen schnell auswendig. Dann braucht es nur noch etwas Mut, um von der selbst gelegten Sicherung, die hoffentlich im Falle eines Falles hält, auch mal 2-3 m wegzusteigen.

 

Erwähnenswert sind noch die bewölkten Tage, an denen es anscheinend öfter leicht nieselt, was aber der Wetterfrosch nicht mitbekommt oder vermeldet. Teilweise kann man auch dann noch klettern, wenngleich der Spaßfaktor leidet. Oft wird es durch die Sonneneinstrahlung am Nachmittag besser und hell ist es ja sowieso zwischen Mitte Juni und Juli fast rund um die Uhr. Und die zugänglichen Routen sind alle kurz und handlich. Man kann also auch nach dem Abendessen noch einsteigen, was in den "heimischen" Alpen undenkbar wäre. 

Als Fazit würde ich sagen: Die Kletterei ist sehr schön, meist sehr gut absicherbar aber selten die erhoffte Weltklasse. In Verbindung mit der wunderschönen Umgebung aber dann doch wieder irgendwie...

Schnell noch ein paar Worte und Infos zum Kletterführer und den norwegischen Graden: Wie zu erwarten wurden wie fast überall vermutlich die Bewertungen der Erstbegeher übernommen. Im Vergleich zu unseren Topoguide-Bewertungen muss man im Schnitt 2/3 Grade dazu rechnen, was bei selbst abzusichernden Routen sich durchaus bemerkbar machen und nicht zu unterschätzende Auswirkungen haben kann! Teilweise gab es auch Ausreißer mit bis zu 2 Graden! Sprich in einem Sechser wurde das A0/1 unterschlagen und frei geklettert wartet in der "Pizzatyven" zum Beispiel ein glatter Achter! Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich. (Näheres dazu und zu allen anderen von uns gekletterten Routen in der Tourenliste unten).

Nachdem ich es lieber etwas ruhiger bevorzuge ging unsere Fahrt weiter in die Nachbarregion zum Eidetind und eigentlich wollte ich auch gerne noch zum Stetind. Doch einerseits wären einige Tage Regen auszusitzen gewesen und anderseits waren die Führerinfos oft so vage, dass ich keinen sonderlichen Drang auf Abenteuerklettern verspürte. Das alles hatte ich zur Genüge in den letzten 30 Jahren. Eine vernünftige Tourenplanung ist mit den vorhanden Angaben leider nicht möglich. Aber so lieben es anscheinend sowohl die Briten, als auch die Skandinavier. Und nachdem es auch in dieser Region nur wenige zugängliche Routen gibt, die regelmäßig wiederholt werden, kam es auch hier unweigerlich zu Verkehrsstörungen. Einfach nicht mein Ding!

Nach so viel Wetterglück, dank Klimawandel teilweise bis zu 27 Grad weit oberhalb vom Polarkreis, hatten wir noch viel Zeit und wollten zum Sightseeing und Klettern noch nach Romsdal, zur Trollwand, zum Geiranger und Vögelkucken auf die Insel Runde. Doch das Wetter und der zermürbend lahme Verkehr verhinderte dies.

Erwähnenswert ist noch der Abstecher über die landschaftlich sehr schöne RV17 zwischen Bodo und Mo i Rana zum Svartissen-Gletscher. (Die sehr teure Bootsüberfahrt lohnt sich für Alpinisten, die schon oft auf Gletschern unterwegs waren, sicher nicht!) 

Als letzte Hoffnung hatte ich mir noch ein paar Infos über das Nissedal zusammengeklaubt. Die Platten und die Gegend sollten etwas schöner und zugänglicher als im benachbarten Setesdal sein. Doch ein Versuch wurde im Keim erstickt. In den wenigen leichten, griffigen und absicherbaren Routen wieder die üblichen Staus und für 20 m!!! Plattenrunouts fehlen mir die Worte und jegliches Verständnis, wie man so etwas einbohren, klettern und auch noch so der Nachwelt hinterlassen mag. Sorry! Schwachsinniger geht es für mich nicht mehr. Landschaftlich ist die Region jedoch wunderschön. Aber irgendwie war die Stimmung dadurch am Boden. Eigentlich war es fast vorher klar. Aber manchmal will man es einfach nicht glauben und sich selbst ein Bild machen. 

Also doch noch wenigstens ein paar Tage nach Bohuslän und lieber Rissklettern. Wobei die "Infrastruktur" für Busübernachter denkbar ungünstig ist und nicht zu einem längeren Aufenthalt einlädt. In Schweden gibt es zwar ein ähnliches "Jedermannsrecht" wie in Norwegen, jedoch ist so gut wie alles in Privatbesitz und Seitenstraßen, wie bei uns, gibt es kaum. Parkplätze sind tabu oder zum Übernachten gesperrt. (Mehr dazu im folgenden Infoteil.)

Unsere Route in Stichpunkten:

Rostock - Trelleborg - Melbystrand - Bohuslän - Hamra-Nationalpark (nur kurzer Zwischenstopp) - Vilhelmina - Stokenjokk (Rentiere) - Mo i Rana - Skutvik (Fähre) - Svolvaer - Eidetind - Loding - RV 17 Kystriksveien - Mo i Rana. Von dort besser über die E12 und Storuman wieder nach Schweden und Retour. Alternativ erscheint mir ein Abstecher zum Sarekpark bzw. Stora Sjöfallets (Ritsem) weitaus lohnender, als die ganzen Touristenziele in Norwegen. 

Übernachten in Bus und Zelt - Jedermannsrecht

Das sogenannte Jedermannsrecht gibt es zwar in Papierform, die Realität schaut inzwischen leider anders aus. Den vielen, die sich daneben benommen haben, sei Dank!

Am einfachsten ist es noch mit dem Zelt. Die Skandinavier machen hier auch rege Gebrauch davon. Wenige Meter vom Parkplatz entfernt suchen sie sich die schönsten Plätze. Dies ist natürlich weitaus ruhiger als an den Parkbuchten direkt an einer Hauptstraße. Die großen Parkplätze werden selbst tagsüber nur wenig genutzt, weil gebührenpflichtig. Hierzu benötigt man auch eine Park-App. Nachts steht dort in der Regel niemand. Sehr seltsam...

Dafür wenige Meter entfernt in der nächsten Parkbucht. Noch seltsamer...

Manchmal ist auch das Zelten an bestimmten Plätzen verboten und wenige Meter daneben erlaubt oder geduldet. Ebenfalls sehr seltsam...

Wo es weniger touristisch zugeht haben wir immer ein einsames Plätzchen gefunden. Oft sogar in Natur- oder Nationalparks, was bei uns undenkbar wäre. In Skandinavien und den USA gönnte man den Menschen den Aufenthalt in der Natur, in Deutschland und den Alpen sollen sie möglichst ausgesperrt werden. Man muss nur etwas ab von der Hauptstraße schauen. Der "Gockel" hilft...

Belehrungen erspare ich mir, sie helfen leider sowieso nicht. Es gibt einfach zu viele rücksichtslose Gesellen! 

Sucht euch also eine "Einzelzelle", sonst werdet ihr kaum schlafen. Türen knallen und lautes Unterhalten, Grillparty mit Musik, Spanier, die einen anderen Rhythmus haben als wir, usw.  Am ehesten noch zwischen großen Wohnmobilen. Die altehrwürdigen Herrschaften gehen früh ins Bett, haben ihre Toilette an Board und knallen keine Türen. Sie schlafen meist ruhig und friedlich! 

Verkehr in Schweden und Norwegen

Während man in Schweden noch so halbwegs voran kommt, war es für mich in Norwegen ein Desaster. Nach 500 km war ich ein Fall für den Psychiater. Noch nie in meinem Leben und in keinem Land der Welt war für mich das Fahren so anstrengend. Mit maximal 60 km/h, selten mal 80 benötigt man für 2000 km 4-6 Tage. Besser man lässt sich 8 Tage Zeit und fährt max. 200-300 km am Tag. Ich konnte das Geschleiche kaum ertragen. Es bilden sich oft lange Kolonnen hinter Wohnmobilen, die nur sehr mühsam überholt werden können. Die Norweger schrecken dann im Auto sichtbar zusammen. Selbst, wenn man mal wenigstens 80 fahren darf, ist fast immer jemand dabei, der es nicht über 60 schafft. Zwischen Oslo und Trondheim sind dann vermeintliche "Schnellstraßenabschnitte" mit Leitplanken getrennt, so dass man nicht einmal mehr überholen kann. Dazu gibt es noch "Blitzstrecken" wo jeder aufgezeichnet ("geblitzt") wird und nach einigen Kilometern die gefahrene Geschwindigkeit ermittelt wird. Eigentlich zu vernachlässigen, weil man sowieso so gut wie nie die Gelegenheit bekommt schneller zu fahren, aber vielleicht wissenswert. In Schweden ist ebenfalls alles "vermint" aber bis auf vermutlich höchst seltene Laserattacken alles mit Schildern angekündigt. Dort sieht man schon mal "Raser" mit ihrem M3 oder A8 mit 130 durchbrettern, bis sie vom nächsten Best-Ager im weißen Raumschiff hinter der nächsten Kurve ausgebremst werden. 

Wer "zügig" fahren möchte sollte, wie bei uns hier auch, entweder aufmerksam sein oder eine zusätzliche "Straßenmaut" im Urlaubsbudget einplanen. 

Zusätzlich wird auf vielen Teilstrecken in Norwegen eine Maut erhoben und hierzu das Auto fotografiert. Später flattert dann eine Rechnung ins Haus. Jedenfalls waren die angekündigten Mautgebühren für die wenigen Kilometer unverschämt hoch. Teilweise umgerechnet 5 EUR für 5 km!!! 

Treibstoff fürs Auto gibt es mehr als genug. Im Ölland Norwegen sogar etwas günstiger, als in Schweden. Dafür hohe Mautgebühren, die es in Schweden nicht gibt. Glück im Unglück, dass man so sparsam unterwegs ist, wie in keinem anderen Land der Welt. Selbst die unvorstellbaren und bei uns kaum zu erreichenden Prüfstandangaben von 5.8 l/100 km haben wir zeitweise unterschritten! Zuweilen dachte ich wir bekommen an der Tanke noch Geld zurück. Für die ganze Reise inkl.! Deutschland hatten wir einen Verbrauch von 6.5 l Diesel/100 km bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 72 km/h (inkl. BAB).

Die Regierungen haben hier ganze Arbeit geleistet, um das Autofahren so unattraktiv wie nur irgend möglich zu gestalten. 

Lebens- und Genussmittel

Sprich Bier und  Wein dürfen zumindest theoretisch nur in homöopathischen Dosen eingeführt werden. Beim Grenzübertritt nach dem Stekenjokk gab es nicht mal einen Hinweis auf Norwegen, geschweige denn eine Kontrolle. 

Etwas Abstinenz kann ja auch nicht schaden. Und 3-4 Belohnungs-TABS und ein paar Flaschen Wein können ja durchaus mit. Im Zweifel kann man noch verzollen, was immer noch günstiger ist, als dort einzukaufen. 

Wir hatten unser Auto so gut es ging für 5-6 Wochen mit den Basics und v.a. Brot voll bepackt. Zähneknirschend haben wir dann vor Ort ab und zu ziemlich geschmack- und vitaminloses Gemüse und Obst gekauft. Meist jedoch Augen zu und Dose rein! Satt.

Die Preise sind mindestens doppelt so hoch als in Deutschland, für "exotische" Käsesorten auch gerne dreifach.

Man könnte meinen Trinkwasser wäre in diesen Ländern reichlich vorhanden. Wir haben nirgends Brunnen gesehen. Oft kann man einen Wasserhahn an Tankstellen und Supermärkten nutzen, Trinkwasser haben wir uns in 5l-Kanistern gegönnt, weil ich mit nicht- mineralischem Bachwasser gerne mal Probleme habe. Also frühzeitig auftanken! 

Mücken (Mygga)

Es war weniger schlimm als erwartet. Soweit die gute Nachricht. Einmal allerdings kam abends an einem See ein Schwarm sogenannter "Kriebelmücken". In kürzester Zeit hatten sie meine ganze Kopfhaut zerstochen. Es half nur die sofortige Flucht. Sie gelangen selbst durch Mückennetze ins Fahrzeuginnere und sind nur schwer wieder loszuwerden. Im Allgemeinen geht jedoch immer etwas Wind und das Gemetzel hielt sich bei uns in Grenzen. 

Reisezeitpunkt und Zeitaufwand

Meine Empfehlung wäre Mitte Juni zu starten und sich bis Ende Juli Zeit zu lassen. In diesem Zeitraum ist die Chance auf etwas stabiles Wetter am größten.

Der zeitliche Aufwand ist vermutlich auch der Grund, warum man fast nur Best-Ager in ihrer weißen Ware durch die Gegend kutschieren sieht. Noch nie habe ich so viele Wohnmobile gesehen. eine boomende Industrie...

Schon alleine die reine Fahrtzeit für 6-8000 km nimmt 12-14 Tage in Anspruch. Hat man Wetterpech und muss mal 3-4 Tage aussitzen, braucht es einfach Zeit und v.a. Geduld. Als diese verteilt wurde war ich leider nicht dabei...

Tipp: Wer "nur" zum Klettern auf die Lofoten möchte könnte auch mit dem Flugzeug und Mietwagen anreisen, ggf. sogar mit lokalen Bussen nach Henningsvaer. Die lohnenden Klettertouren liegen alle direkt an der Straße in einem Umkreis von nicht mehr als 5 km. Direkt vor Ort findet man überall tolle Zeltplätze, unweit der Hautstraße und der Einstiege.

Wildlife

Nein, du wirst vermutlich keinen Elch sehen, maximal noch ein Rentier oder ein paar Möwen. Vermutlich hat sich auch bei den Tieren herumgesprochen wenn sie sich in Nähe der Straßen begeben, dass sie u.U. zweidimensional enden. Und so müsstest du schon sehr weit in die Natur vordringen und genau wissen, wo man Fuchs und Dachs gute Nacht sagt. Da hat man bei Touren in den Alpen sicher mehr Glück. 

Mitternachtssonne

Wer gerne dunkel schläft hat ein Problem...

Es wird in dieser Zeit einfach nicht dunkel. Maximal noch an bewölkten Tagen etwas "dämmrig".

Dieser Moment fällt bedingt durch die MESZ und die Erdachse/Krümmung gar nicht auf Mitternacht. Wen es interessiert: https://de.wikipedia.org/wiki/Mitternachtssonne

Fakt ist: Es bleibt hell und die Sonne nimmt im Norden ihren Lauf.

Routeninfos Lofoten

Wie schon erwähnt ist die Tourenplanung mit dem englischen Guidebook nicht einfach. Wieder einmal zeigt sich, dass mit Drohnen aufgenommene Fototopos sich als wenig nützlich erweisen. Sind dann alle anderen Angaben noch sehr interpretativ wird es sehr schwierig. Die Schwierigkeitsangaben sind sehr inkonsistent und nur als Anhaltspunkt zu verstehen. Materialangaben oder eine Einschätzung zur zusätzlichen Absicherbarkeit gibt es nicht. 

Zustiegszeiten sind zu verdoppeln oder für Trailrunner!

Es werden maximal die Top 50 geklettert; sehr selten die 2 und 3* Touren. Sie verkrauten und sind kaum zu lokalisieren. Wo geklettert wird erkennt man an den Chalkpisten. Es gibt NUR 10-15 Routen die überhaupt regelmäßig wiederholt werden. Somit sind über die Hälfte aller vorgestellten Touren Führeraltpapier. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand mit diesen Führerangaben in eine 300-500 m Tour mit Schwierigkeiten bis 7 oder 8 und A1-A3 einsteigt.

Nordwände bekommen am Abend und in der Nacht Sonne!

Die ansprechenden Kletterwände sind fast alle entlang der von Touristen sehr stark frequentierten Straße nach Henningsvaer bzw. beginnend in Svolvaer.

Nachfolgend einige Zusatzinfos über die von uns gekletterten Routen mit UIAA Bewertungseinschätzungen, die meist deutlich von den Führerangaben abweichen.

Bare blabaer ****/*****

Zustieg: Am linken Fjordufer bis zu einem Fichtenwäldchen zwischen den zwei "Seen" und noch gut 100-150 weiter gerade aus. Ein erster Pfad führt in den rechten Wandteil. (kann man auch gehen, muss dann aber oben an der Wand traversieren.)

Besser auf einen Felsrücken mit einem runden Block zusteuern. Zuvor leiten Pfade und Steinmänner durchs Unterholz. Nach oben hin wird das Gelände "freier" und übersichtlicher. Es gibt leider inzwischen zig Pfade und div. Steinmänner. Aber keine sinnvollen Markierungen. In Anlehnung an unseren Korsikaführer würde ich hier mindestens 2 Elche (statt Trüffelschweine) vergeben. 

Route: Nach der ersten Zubringerlänge folgen 3-4 SL Weltklasserisse und Verschneidungen. Die vorletzte SL kann man noch machen ist aber anspruchsvoll in der Wegfindung und Absicherbarkeit. Hier "fehlen" eindeutig 1-2 BH. In der letzten SL warten dann runouts bis 10 m in Verbindung mit wenig guten placements. Kann man sich eindeutig sparen. Daher eigentlich "nur" 4*.

Neue Abseilpiste rechts der Route.

Sonne von ca. 15 bis 24/oder gar bis 2-3 Uhr morgens.

3-4 SL Klettern (ohne Stau); 30 Min abseilen.

Sehr gutmütige und tolle Risse bis VI-; Platte in der vorletzten Länge VI+

Mind. 2 Sätze Friends bis Gr. 3; für eine super Absicherung, besser gängige Größen 3-fach. 

10 und mehr Seilschaften pro Tag sind dort die Regel und keine Ausnahme!!! Wir sind sehr früh eingestiegen und hatten Glück. Nach 20 Uhr dürfte es auch wieder ruhiger werden. Kein Witz oder Polemik!

Gandalf ***/**** VI(+)

Einer der ganz alten Klassiker; hier ist sogar der Granit teilweise schon "gespeckt".

Die Kletterei ist ansprechend; die Linie oben nicht ganz eindeutig und überall Varianten kletterbar. 

Gute Absicherung mit 2 Sätzen Friends bis Gr. 3 möglich. 

Im Führer sind die Routen Gandalf und Gollum vertauscht!

Gollum **** VI(+)

Kaltstart gleich zu Beginn; nach oben hin leichter und durchgehend schöne Riss- und Wandkletterei.

Gute Absicherung mit 2 Sätzen Friends bis Gr. 3 möglich. 

Gun's n Roses *** VI(+)

Am ersten Dach anspruchsvoll aber noch ok; gut absicherbar; im oberen Teil beliebig bzw. ähnlich wie Gandalf.

Tromso Expressen *** VI+

Leider kann nur die erste Länge so richtig begeistern; mangels BH muss man halt den Rest auch noch klettern; gut absicherbar.

Gaukerisset ***/**** VII statt VI wie angegeben!

Besser am Beginn der Risslänge nochmal Stand bauen. 

Crux am Dächli; wer in einem Zug bei guter Absicherung durch möchte, sollte 3 Sätze Friends am Gurt haben oder einen Zwischenhängestand einbauen. Anspruchsvoll!

Pizzatyven **/*** VI/A1 (VIII-)

Krasseste Unterbewertung! Crux an "windigen" Keilen und Mikrofriends; evtl. besser über die "Ant-Line" direkt hoch. 

Anspruchsvoll!

Pianohändler *** V+

Kurzweilige Einsteigerroute; Stände einfach einzurichten; sehr gute Absicherung möglich; mind. 1 Satz Friend bis Gr. 3; 3-4 lange Bandschlingen. Sehr stark frequentiert!

Apfelkuchenpfeiler ***/**** VI

Knuffige, unübersichtliche Wandkletterei; Zwischenstand nach 40 m sinnvoll, danach gängige Rissverschneidung; Varianten, sprich Verhauer sind gut möglich. 2 Sätze Friends bis Gr. 3; 3 lange Bandschlingen; es kann alle 3-5 m eine gute Sicherung gelegt werden; anspruchsvoll!

Forsida (Svolvaer-Goat) **** VI+/VII-

Mittlerweile wurde von "Sklavenarbeitern" der Zustieg über hunderte Treppenstufen angelegt. 

Entweder Bezahlparkplatz oder an der Kirche bzw. rechts 200-300 m entfernt Parkbuchten an der Straße.

Klassische, inzwischen gut geputzte, flechtenfreie Linie entlang von Rissen und Verschneidungen. 

2 Sätze Friends bis Gr. 3; 4-5 lange Bandschlingen.

2/3 unterbewertet; ggf. einmal A0 an Friends am alten Riesen-NH in der 4/5. SL.

Der Supergau kommt dann an der Gipfelnadel. Dort werden von den lokalen Bergführern Leute in "Badekletterlatschen" hochgezogen, die teilweise nie etwas vom Klettern vorher gehört haben. Andere wollen den "bekannten" Sprung machen und trauen sich nicht. Es herrscht das totale Chaos. Wir verbrachten dort mehr als eine Stunde und mussten uns zum Abseilen durch drängeln. Das sollte man vorher! wissen und sich darauf einstellen.

Paradise 0*

Das ehemalige Camp wurde geschlossen; zugeteert und das Parken ist nur gegen Bezahlung möglich und wird mit Kameras überwacht. Somit sind über 2 km Zustieg nötig; die Felsen sind nicht einfach zu lokalisieren und je nach Wind und Wetter unkletterbar. Für mich sah das alles sehr unlohnend aus. 

Eidetind ***/**** VI+

Parkplatz ohne GPS kaum zu lokalisieren. 

Direkt vorm beschriebenen Haus geht man durch das Werkzeug- und Schuppenchaos des Besitzers links. Die vagen Spuren werden bald besser; in der Mitte über Plattenrücken hoch zur Wand. Statt 25 Min. ca. 40 einplanen.

Die linke Verschneidungslinie (English Corner) ist die offensichtlichere und deutlich anspruchsvoller als die rechte Route. 

Zusätzlich mind. 1 x Friend Gr. 4; besser noch Gr. 5 für den Off-width. Hacke-Spitze-Elbsandsteinkletterei vom Allerfeinsten! 

Danach sind 2-3 Mikrokeile für die seichte Rissverschneidung hilfreich. 

Der letzte Abseilstand fehlt und es muss 30 m gesichert wieder abgeklettert oder von einem Busch abgeseilt werden. Krasser shit!

Die rechte Route (Klubbruta) ist zunächst schwieriger zu lokalisieren. Hier muss man wissen den oberen der beiden horizontalen Risse nach links zu nehmen. Der untere ist leider der meistgenutzte, weil gechalked und weil auf dem Fototopo nichts erkennbar ist. In der 4. SL nicht wie im Führer gerade über die seichte Rissspur hoch zum Dächli und sichtbaren Stand, sondern eine Extraschleife über links in die Verschneidung drehen, wo man oben dann ein NH erspähen kann.

Die Stände zum Abseilen wurden mit Inoxankern und inzwischen stark angerosteten Laschen eingerichtet. Vorsicht!

Fahrlässig, was solche Führerangaben auslösen könnten!

Nissedal 

Ein Granitkletterdom vergleichbar mit dem Eldorado am Grimsel. Nur stecken hier noch weniger Haken. Auf den oft strukturlosen Platten je nach Schwierigkeit runouts von 10-20 m.

Die 3-4 leichten Familienrouten können zur Ferienzeit nur sehr früh morgens oder im Stau genossen werden. Nach einem Versuch in der angeblichen Plaisirtour des Gebietes (Harry Pothead - grausigste strukturlose Platten mit 3-5 m BH-Abständen) wechselten wir noch zum Haegefjell und standen hinter 3 Seilschaften und einer Familie mit vorsteigendem Vater, 3 Kindern, verteilt auf zwei Doppelseile und Mutter mit 20 kg Rucksack im Megastau. Die freie Plattenroute nebenan haben wir nach mehreren 20 m runouts abgebaut. Völlig sinnfrei und Harakiri. Wie man so etwas klettern mag werde ich wohl nie verstehen.

Ein Besuch lohnt nur für Plattenfreaks. Für alle anderen ist es ein Landschafts- und Kulturerlebnis. 

Bohuslän

Sehr speziell! Es sollen dort absolut keine Spuren, sprich Bohrhaken hinterlassen werden. Zum Abseilen legt man das Seil um Bäume; manchmal sind Schlingen und Maillons vorhanden; sehr selten Bohrhakenabseilstände. 

Es muss alles eigenverantwortlich mobil abgesichert werden. 

Es gibt durchaus einige Weltklasserouten aber auch viel Durchschnitt. Oft gibt es leider nur 2-3 Routen pro Fels, die auch "in Betrieb" sind und regelmäßig geklettert werden.

Zum übernachten im Bus sind nur sehr schwer gute Plätze zu finden, weil alles im Privatbesitz ist. Seitenstraßen ebenfalls! Auf den Kletterparkplätzen ausnahmslos unerwünscht! Alternativ kann vom Campingplatz oder der Ferienwohnung "ökologisch sinnvoll" jeden Tag 20-30 km hin und zurück gefahren werden. 

Die Bewertungen im lokalen Führer haben eine "breite Spanne"; von zutreffend bis meist 2/3 unterbewertet. Geschenke werden nicht verteilt. Zusatzinfos nur auf Schwedisch oder im Internet.

Brappersberget - Einsteigergebiet

St. Pauls ** VI+

Anspruchsvolle Einzelstelle im unteren Teil mit Einschlagpotenzial; Umlenkung/Stand selbst einzurichten - also 2-3 Friends "aufsparen".

Kyrkrättan *** V-

Gute Einsteigerroute und sehr gut absicherbar.

Big Ben ** VI- 

Die zweite gute Risslinie; allerdings zwischen dem 5-7 Klettermeter mit Retourpotenzial und schwieriger absicherbar. 

Requien ** VI+

Toprope im "freestyle" durch die Wand.

Altarorgie ** V+

Glattpolierter, schwieriger Einstieg; danach relativ gut absicherbar.

Nordens Ark - Einsteigergebiet

Berguven ** VI+

Für Zwerge bitterer Längenzug; darunter unhübsche Landefläche; danach Genuss und gut absicherbar.

Järven *** VI(-)

Gut absicherbar; etwas unübersichtlich; oben über Leiste nach links.

Ödhumlan **** IV+/V-

Sehr gute Einsteigerroute mit immer guter Absicherbarkeit.

Svaneberget - Für Rissliebhaber

Bergkirstis Polska ***** VI+

Weltklasse! Für das obere Drittel viele kleine/mittlere Friends; Abseilen von linker Kiefer an Kante 35 m bis zu Band.

Slippery when wet *** VI(-)

Einstiegsriss besser links umgehen; trotzdem Grounder möglich; danach besser und einfacher als es ausschaut und auch absicherbar.

Galgeberget - Familiengebiet

Bagatell *** VII+

Haben wir toprope von der Abseile aus geklettert.

Palimpsest *** VI

Schöne Riss- und Verschneidungskletterei mit kurzer Crux im oberen Teil.

DNA *** VI+

Ähnlich wie zuvor, ein wenig schwieriger in den Anforderungen.

Knottbiten *** V-

Durchaus einsteigergeeignet; oben sind wir direkt raus.

Villskuddväggen (Valseröd)

Jungfrun **** V+

Tolle Linie und sensationeller Handriss oben.

Villskudd***** VII

Geniale, fordernde Kletterei; krass unterbewertet.

 

Fazit

Wir hatten insgesamt großes Wetterglück und vielleicht einen Milleniumsommer erlebt. 

Die weite Reise hat sich durchaus gelohnt und es war toll, das alles mal zu sehen und zu erleben.

Zum Wiederholungstäter werde ich vermutlich nicht oder nur im hohen Alter mit viel mehr Ruhe und Gelassenheit.

Von der Kletterei hätte ich mir mehr erhofft. Vor allem müsste es für einen weiteren Aufenthalt eine größere Routenauswahl mit gebohrten Ständen als Fluchtmöglichkeit bei Missfallen bzw. Wetterumschwung geben. Da haben wir in Alpen sicher mehr als genug Weltklasse und Auswahl. Vor allem kann man in ruhige Gebiete reisen, wenn man dies vorzieht und mit weniger bekannten Routen zufrieden ist. 

Was in Erinnerung bleibt, sind die schier unglaublichen Farben des Meeres und der Seen, die riesigen Wälder; die vielen Staus in den Kletterrouten und das größte und längste Schneckenrennen der Welt auf den Straßen von Norwegen. 

Lofoten/Betzenstein, Juni-Juli 2023

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